Freitag, 12. November 2010

Herbst

bruder baum ich bin erstaunt

wenn ich dich sehe, in der nacht

wenn der wind durch deine zweige raunt

und ich habe den verdacht

du wirst dich sehr bald schlafen legen.

frierst du nicht geliebter bruder?

die kalte jahreszeit hat gerade begonnen,

die winde haben sich aufgemacht zur jagd,

das jahr ist fast zur gänze verronnen,

die fleissigen, die können jetzt ruhen,

die trägen, die werden nervös, sie haben versagt.

sie haben die zeichen nicht erkannt

und haben sich zu spät geplagt.

und gerade in dieser zeit

machst du dich, wie es scheint, machst du dich bereit

dein gewand abzulegen

von dir möcht ich lernen bruder baum.

diese kraft möchte ich haben, keinen zweifel zu hegen.

dem weltenlauf so hingegeben.

so tief wie deine wurzeln ist dieses vertraun

zu nehmen was kommt und nicht zu erfragen

dieses warum.

um die einheit zu wissen, tief in dir drin und drum

noch einmal zu erglühn in mächtiger pracht

für mich.

dann übergibst du deine blätter dem wütenden, wilden wind.

ich sehe dich an, und ich bin noch immer erstaunt

und tief bewegt, und etwas rührt auch meine wurzeln an

ich blicke hinauf und ich verstehe dich,

weil wir brüder sind.










Montag, 8. Februar 2010

frühling

wenn winterstille
erstem vogelgezwitscher weicht
wenn die sonne
den horizont erst viel später erreicht
dann ahnt mein herz den übermut
dann fühlt die seele lebensglut

bald werden schillernde libellen
über klare weiher schnellen
wird honig in den stöcken triefen
bald vergessen die zeit
in der wir winterstarr schliefen

noch hat der frost die krone auf
noch schlafen die blumenzwiebeln im erdenbauch
noch liegt der weiher eisig und weiss
doch es bebt unterm schnee beständig und leis

und ist die kälte dann ganz langsam gewichen
und sind die langen winterschatten verblichen
dann kommt sie wieder die tätige zeit
dann machen sich die herzen
für die liebe bereit

Donnerstag, 4. Februar 2010

die quelle

herausgenommen aus dem leben
hat man sich zumeist doch selbst
schluld und tadel andren geben
verloren scheint im kampf der held

wie im meeres sturmgebraus
wenn wellen alles unter sich begraben
sehnt sich der held zum herd im haus
als frauenhand ihm linderung gaben

doch weit ist weg und kampf und schlacht
und dunkel die erinnerung
lang ist die zeit die kummer macht
leer der becher mit lebenstrunk

immer fliesst die quelle klar
nie hat sie aufgehört zu fliessen
bietet kraft und segen immerdar
dem finder gönnt sie zu geniessen

der held vom langen kampf ermüdet
die suche schon fast aufgegeben
weiss daß die schlacht woanders wütet
weiss er muß dem feind vergeben

erst dann wird kraft und wille rein
und alle qualen die man trug
werden voll erfüllung sein
erquickend voll der lebenskrug

heilend, kraftvoll unerschöpflich
es wird der durst sich klein ergeben
jeder kleinste schluck belebt dich
alles was zertreten wird in fülle leben

waldgedicht

da flüsterte mir ein rehlein im wald
es schneit so stark, mir ist so kalt!
und auch der fuchs in seinem bau
schaut heraus und sagt: genau!

da kommt ein hirsch mit großem geweih
und röhrt mit tiefer stimme: einerlei!
der winter ist hart, der winter ist kalt
unser zuhause das ist der wald

er schützt uns, er nährt uns, er passt auf uns auf
und kommt der jäger, dann raunt er: lauf liebes, lauf!
und deckt der schnee den wald dann zu
dann haben wir´s leise, dann haben wir ruh

hört zu: eines haben wir alle erkannt:
bald zieht der frühling wieder übers land
drum lasst uns aneinanderschmiegen
so werden wir die kälte besiegen

ja wirklich! ruft der fuchs ganz schlau
eines weiss ich ganz genau
nach tagen mit kälte und klage
kommt immer die zeit der warmen tage!

Samstag, 22. August 2009

liebesgedicht

es klingt in meinen ohren
ein sanftes flehen immerzu
zur steten suche auserkoren
und das ziel der suche
das bist du

das was ich bin
ist immer ganz
ist ganz gekommen
und wird ganz gehn
und doch
den feurig wilden lebenstanz
werd ich erst dann verstehn
kann ich in meinem lichterkranz
hand in hand
neben dir stehn

so trachte ich zu allererst
das raten mir die lichten wesen
mich auf die suche zu begeben
nach mir selbst und meinem herz
trotz dunkelheit nicht zu verzagen
trotz einsamkeit und schmerz
neben meinem glanz
nach deinem glanz zu fragen

aber erst nachdem
mein licht mich selber wärmt
ist mir möglich zu verstehen
woher der antrieb kommt
für mein unablässig herzensflehen

es ist deine sehnsucht
mich zu finden
mir die hand zu reichen
dich zu binden
und in diesem neuen lichterkranz
in liebe uns zu finden

Sonntag, 26. Juli 2009

der gürtel des orion

es passiert in diesem moment.
abus hassiv steigt von seinem kamel. er setzt sich in den schon kühlen sand und hebt seinen kopf. er sieht das dach des zeltes das er bewohnt. es macht ihn atemlos. wie jede nacht. der himmel ist wolkenlos. aber nicht endlos. er behütet ihn. so wie ein baldachin, übersäht mit zahllosen diamanten. er schützt ihn und macht ihn furchtlos.
sein kamel hat sich schwerfällig neben ihn in den sand gelegt. seine wärme und seine geräusche, auch sein geruch tut ihm gut. sein zelt ist groß, da tut es gut nicht alleine zu sein.
"du blickst immer nur soweit, wie deine gedanken deinen blick tragen können". das hat ihm sein vater gesagt. am lagerfeuer. als ihm die geschichten seiner ahnen erzält wurden.
seine gedanken waren weit. und das zelt in dem er saß war groß. aus dem getrockneten kameldung, den er mit sich führte, machte er sich ein kleines feuer.
er hüllte sich in seine decke und schon bald war er eingeschlafen.

sven hatluv stieg die leiter herab. so wie der das jeden tag machte. siebenundsechzig sporssen, die er zuvor auch hinaufgestiegen war. den weg nach oben nahm er beim letzten tageslicht. und wenn es wolkenlos war, so wie heute, war das schauspiel, das sich ihm bot, eines, das er mit nichts auf der welt tauschen wollte. er hatte dienst auf einer kleinen insel vor neufundland. er wartete einen leuchtturm der schiffen den weg wies, von denen er nichts wusste. die untergehende sonne machte einem sternenhimmel platz, der ihn alles vergessen ließ, was er an gedankenballast die sprossen hochgetragen hatte. "die sonne ist der stern der dir am nächsten ist. und das was du da oben funkeln siehst, ist nichts anderes als das, was dir morgen wieder auf den buckel brennt" das hat ihm sein vater erzählt auf den zahllosen fahrten, als sie mit vollen netzen in der jungen nacht in ihrem kleinen fischkutter den hafen ansteuerten.

rick bollerbee liebte den duft der blühenden gräser in denen er in den warmen monaten schlief.
alles war besser als der geruch feuchten moders, oder des unrates dunkler gassen, in denen er sich den rest des jahres aufhalten musste. die stadt der engel, das war sein zuhause. er mochte das meer, aber der rummel dort war nicht seine welt. im sommer lebte er in den hügeln über der stadt. das war nicht einfach, aber es war sein leben. und wenn er in der nacht auf die lichter der stadt blickte dann fühlte er sich frei. "in den lichtern dieser stadt spiegelt sich der himmel, such dir aus wo die engel leben" das hat ihm sein vater gesagt, an dessen gesicht er sich nicht mehr erinnern konnte. .

Samstag, 7. März 2009

Die eine Wolke sah aus wie ein Frauengesicht. Er blickte hinauf.
Stand still und blickte hinauf. Er hätte sich auch hinlegen können. Das hätte den gleichen Effekt für seine Augen gehabt. Sie wären nach oben gerichtet. Aber er hatte sich für die etwas schwierigere Methode entschieden. Für die Methode, die wesentlich mehr Konzentration erforderte. Auch mehr Kraft.
Aber er sagte sich, dass das der bessere Weg sei, um zu erreichen was er sich vorgenommen hatte. Schließlich hatten alle im Dorf gemeint, er wäre verrückt. Aber er hatte so eine Bezeichnung noch nie als etwas negatives oder eine Beschimpfung gesehen. Verrückt ist, das war seine Definition dieses Wortes, verrückt ist jemand, den Gott an eine andere Stelle gestellt hat als er vorher war. Wenn jemand einen Sessel verrückt, ist das auch für niemanden etwas besonderes.
Er konnte nicht genau sagen, wie lange er schon so dastand. Wenn man so lange immer die gleiche Tätigkeit ausübt, wird die Zeit zu etwas relativem. Eine Sekunde hat keine Bedeutung. Eine Minute ist ein abstrakter Begriff. Und das eigenartige daran war, die Minute war nicht etwa deswegen zu einem abstrakten Gegenstand geworden, weil so viele immergleiche an einem vorbeizogen. Nein, es war genau umgekehrt. Sobald er an Zeit dachte und sich überlegte wielange zum Beispiel das Frauengesicht benötigen würde, sich in einen, sagen wir einmal... Elefantenkopf zu verwandeln, sobald ihm also Zeit in den Sinn kam, war eine Minute so übervoll angefüllt mit Ereignissen, dass sie nicht und nicht vergehen wollte. Er stand eine Ewigkeit da, die gespickt war mit kleinen Ewigkeiten. Unterewigkeiten, wenn man so will. Ewigkeiten die parallel verliefen.
Er machte die Erfahrung, dass wenn er die Sekunden zählte, nicht nur am Himmel enorm viel passierte. Auch in ihm ging eine Unmenge vor sich. Er spürte seine Muskeln, sein Kreuz und vor allem sein Nacken schmerzte ihn zusehends. Das passierte in seiner Wahrnehmung parallel. Das war eine interessante Entdeckung. Und sie verblüffte ihn ein wenig. Es war das erste mal, dass er sich auf zwei Sachen gleichzeitig konzentrierte. Und das ging sogar ganz automatisch. Er brauchte nichts dazutun. Es passierte während er erstaunt beobachtete, wie sich die Form der sich über ihm weiß auftürmenden Wolken veränderte. Unmerklich eigentlich. Es war mehr wie ein stetiges hineinwachsen in eine ihm bekannte Form, die aber nur erreicht wurde, um weiterzuwachsen und langsam, auch wieder fast unmerklich, wieder in etwas neues überzugehen.
Es war gleichzeitig auch die enorme Mächtigkeit der Wolkentürme über ihm und das sich ständig ändernde Licht. Aber das war ihm noch nicht ganz bewusst geworden. Das nahm er nur wahr, wie man den Geruch einer Person wahrnimmt, ohne ihn zu riechen. Es ist mehr etwas, was Gefühl auslöst, ohne als Auslöser in Erscheinung zu treten.
Und neben diesen Beobachtungen passierte eben auch noch anderes. Gleichzeitig passierte etwas in ihm, oder mit ihm. Eben ohne sein zutun.
Er spürte den kleinen Stein auf dem er anscheinen stand. Ein kleiner Kiesel, oder ein Stück Holz oder sonst eine Unebenheit. Winzig. Beim hinstellen nicht wahrgenommen, entpuppte sich das kleine etwas unter seiner Schuhsole als Störenfried. Als etwas unangenehmes. Gleichzeitig fühlte er das Gewicht seines Kopfes auf seinem Nacken lasten. Eigentlich ruhte sein Kopf auf dem zusammengedrückten Wulst von Halsfleisch, Kragen seiner Jacke und Haaren.
Er schaffte es die Muskeln anzuspannen, besser: zu bemerken, die er dazu benötigte, den Kopf zu bewegen. Er bewegte seinen Kopf nicht. Keinen Millimeter. Aber er konnte so tun als ob und er spürte genau, dass da im Hals Muskeln nur darauf warteten, endlich den Befehl ausführen zu können, der sozusagen in der Luft lag. Er spürte auch wie seine Hände dicker wurden. Sie hingen links und rechts an seinem Körper herab und hatten dort nichts zu tun, als dem Blut eine Möglichkeit zu geben, sich in ihnen zu sammeln. Er nahm das als dieses nicht zu beschreibende Gefühl wahr, das von einem Finger ausgeht, der ewig nicht bewegt wurde, und die Qual einer winzigen Bewegung als leises rieseln an seiner Umgebung auslässt. Wie stark dieser fingerliche Gefühlsausbruch ist, ist einzig und allein davon abhängig, wie sehr man daran denkt.
Er war woanders. Er war der verrückte. Und von dieser neuen Position aus blickte er gleichzeitig auf sich und die Wolken. Gleichzeitig nach innen und nach außen.
Er sah die Sachen gleichzeitig und gleichzeitig ganz.
Und auf einmal, und jetzt stutzte er, machte sich da noch eine dritte Welt auf. Das brachte ihn geradezu ein wenig aus dem Gleichgewicht. Aber er zwang sich, weiterhin ganz ruhig zu stehen. Die Wolken zu beobachten. Den Stein unter seiner Schuhsohle zu ignorieren. Er zuckte nur ganz leicht mit seinem rechten Zeigefinger, was sofort zu einem rieseln durch seine ganze Hand und eines Teiles seines Unterarmes führte. Gelassen nahm er es wahr, denn die Entdeckung der dritten Welt machte ihn fast ein wenig übermütig. Er hatte sich auf die Wiese am Hügel über seinem Dorf gestellt und hatte angefangen auf den Himmel zu starren, weil er davon überzeugt war, dass, wenn er nur lange genug auf einen Punkt im Blau blicken würde, er dann hinter den Himmel schauen könnte. Das war führ ihn eigentlich keine Frage nach dem ob, sondern nur eine des Tuns. Aber das es so kommen würde, hat ihn überrascht.
Die dritte Welt, die er jetzt erkannte waren seine Gedanken. Er erlebte nicht nur das Außen, die Wolken, und das Innen, seinen Körper, sonder auch noch das Dahinter, seine Gedanken.
Als er diesen Gedanken fertiggedacht hatte, schüttelte er sich, drehte seinen Kopf langsam nach allen Richtungen, rieb seinen schmerzenden Nacken, drehte sich um und ging langsam über den Hügel in sein Dorf zurück.